Ich bin gerade von meinem ersten großen Shopping-Trip durch Shanghai zurückgekommen und ich muss fast sagen, dass alles, was ich im Koffer mitgenommen habe, zuviel war. Man sollte eigentlich nackt anreisen, wenn die Polizei in Deutschland (und wahrscheinlich auch in China) nicht so spießig wäre.
Aber der Reihe nach. Gestern Abend war ich eigentlich auf der Suche nach nach einem günstigen Restaurant in der Nähe, wo ich auch regelmäßig essen könnte. Dabei ist mir in einer kleinen Seitengasse ein Geschäft mit Abercrombie-Kleidung im Schaufenster aufgefallen. (Ich habe dann auch kein Restaurant mehr gefunden)
Das wollte ich mir genauer anschauen und bin rein. In dem eher kleinen Laden gab es eigentlich alles mögliche, aber vor allem Ware von Abercrombie und Hollister. Ich konnte nicht widerstehen und habe ein A&F Poloshirt anprobiert und (vollkommen überraschend) es hat mir gepasst. Der Stoff fühlte sich gut an und daher habe ich das Shirt auf links gedreht, um es mir von innen anzuschauen. Dann war ich wirklich überrascht. Super Verarbeitung, selbst an den Nähten hatten sie die vier Stofflagen (siehe Bild, da wo das Schild mit "MUSCLE" ist), keine Fransen, keine Fusseln... die Qualität war eigentlich sogar besser als das Original, da es noch nicht verschlissen.... äh.. ich meine natürlich war es ein Original. Es wurde hier wahrscheinlich als B-Ware verkauft, das es eben noch nicht verschlissen war! Außerdem fehlte natürlich der original A&F Geruch. Der Händler wollte dafür 60Rmb (etwas mehr als 6 EUR) und lies sich auch nicht runterhandeln. Ich konnte trotzdem nicht widerstehen... wahrscheinlich habe ich viel zu viel gezahlt.
Heute bin ich dann erst Mal zu Schneidemarkt gefahren, um mir für die Arbeit ein paar Hemden fertigen zu lassen. Ich muss ganz ehrlich gestehen, so ein chinesischer Markt ist zu viel für mich. Beim Einkufen bin ich ja sehr einfach gestrickt. In Deutschland sieht das etwa so aus: Ich brauche eine neues Hemd. In meinem Kopf ist gespeichert, dass es bei P&C gute Hemden zu fairen Preis gibt. Ich gehe zu P&C, sage meine Größe und nehme die Hemden mit, bei denen meiner Meinung nach Preis/Leistung stimmt. Ende. Mehr als einen Laden, der eine Hausmarke und 4 Edelmarken für Hemden anbietet, brauche ich nicht. Ich würde dafür auch nie durch die halbe Stadt laufen. Aber zurück nach China.
Der Schneidermarkt hat drei Stockwerke und auf jedem Stockwerk sind geschätzte 50 Schneider. Der Reiseführer behauptet, dass Chinesen glauben, dass mehr Kunden kommen, wenn alle das gleiche anbieten. Als Anhaltspunkt, wo die Qualität stimmt, hatte ich aus Deutschland eine Empfehlung... leider stellte sich das als ein Damenschneider raus. Gut, der Tipp war auch von einer Frau. Ich bin also etwa eine Stunde durch diesen Markt geirrt, um nach einem Schneider zu suchen. Wonach geht man? Wie Halsabschneider sehen alle aus und das Englisch ist auch vergleichbar. Natürlich ist jeder Laden der älteste am Platz, der nur 100 Baumwolle und die beste Qualität zum günstigsten Preis anbietet. Außerdem bekommt man überall einen Spezialpreise, der nur heute gilt. Morgen ist alles schon wieder teurer. Und am schlimmsten überhaupt... 50% Ausländer. Noch schlimmer, 50% der Ausländer sind Deutsche... obwohl sie sicher nicht 50% der Ausländer in Shanghai ausmachen. Es erscheint also schon ein bisschen wie eine Touristenfalle.
Das klassische Trick in China ist es ja zu schauen, in welchem Laden viel los ist. Da ist es auch immer gut. Aber die Touristen bringe beim Schneidermarkt ja jede Statistik durcheinander, da die ja genau so wenig Ahnung haben, wie man selbst. Also habe ich eine andere Taktik gewählt... ich habe überall nach dem Preis (besser gesagt der Verhandlungsgrundlage) gefragt und mir dann ein Musterbeispiel geben lassen. Leider verstehe ich nichts von Stoffen und deswegen konnte ich noch so lange reiben und fühlen... ich wurde nicht schlauer. Aber vielleicht dachten die ja, dass ich was davon verstehe. Mein Plan war eigentlich sehr einfach: Souveräner Auftritt bei völliger Ahnungslosigkeit. Schwer zu glauben, dass chinesische Händler bei so Sachen dümmer sind als ich, aber die Hoffnung stirbt zuletzt.
Mein Vater hat mir ja den super Tipp gegeben "wenn du beim Tragen schwitzt und es juckt, dann hast du keine 100% Baumwolle". Da ganz Shanghai aber ein türkisches Dampfbad ist und meine Haut die ganze Zeit juckt, sind die beiden Kriterien bei allen Hemden, die ich habe, erfüllt. Unterschiede konnte ich aber immerhin bei den Nähten und bei der Verhandlungsbasis feststellen. Mache haben bei 120 Rmb angefangen und sind selbst als ich weggegangen bin, nicht unter 90 gegangen. Andere haben direkt bei 100 angefangen und ich konnte nichts mehr rausholen.
Am Ende bin ich zu dem Laden gegangen, wo sie bei 100 angefangen haben und die Qualität meiner Meinung nach am besten war (das ist aber allenfalls ein subjektives Qualitätsmerkmal). Mit Müh und Not habe ich ihn dann auf 90 gedrückt, aber ich habe das Gefühl, dass da zu viel war. Für ein einzelnes Hemd fällt es mir auch fast schon schwer, weniger zu bieten, wenn die Qualität wirklich gut ist. Da habe ich irgendwie zu wenige Gene von meinem Vater geerbt. Da aber selbst das Weglaufen bei anderen Händler nicht weniger als 90 Rmb gebracht hat, habe ich die Illusion, dass der Preis in Ordnung ist. Jetzt habe ich ihm mein Lieblingshemd gelassen, damit er es 1:1 kopiert. Ich bin gespannt, was da rauskommt. Im Nachhinein hätte ich vielleicht nicht mein Lieblingshemd dort lassen sollen....
Von Schneidermarkt ging es dann weiter zum Fake Market. Ein riesiges, unterirdisches Labyrinth von Läden voll mit... äh... an Mustern anderer Hersteller angelehntem Design-Stücken. Da gibt es original A&F, UGG-Boots, Ray-Ban-Sonnenbrillen, iPhones, iPads, Chucks, Adidas-Trikots.... man glaubt gar nicht, was für Marken ihre offiziellen Läden in einer U-Bahnstation haben. Ich weiß gar nicht, warum das Ding Fake Market heißt... da selbst die Polizei da durchläuft, muss es sich in einem Rechtsstaat wie China doch um Originale handeln. :)Da unten kann man auch ganz verschiedene Verhandlungstaktiken beobachten. Die Franzosen haben z.B. mit der Verkäuferin geflirtet "Ju ar sutsch a neis lädy... so bjutifull". Ich glaube, damit sind sie beim Preis nicht weit gekommen. Der Rest der Welt setzt glaube ich eher darauf, viel zu nehmen und erst ganz am Ende beim Bezahlen zu verhandeln. Dann sind sich die Chinesen des Geschäfts aber schon zu sicher. Ich habe also einfach die chinesische Methode genutzt... einfach den Laden verlassen. Dann purzeln die Preise, die einem hinterhergeschriehen werden. Leider haben die aber viel mehr Erfahrung im Verhandeln als ich. Sie nennen z.B. am Anfang keinen Preis, sondern wollen, dass man selber anfängt. Dann wissen sie gleich, wie viel Ahnung man von den Preisen hat.... bzw. dass ich gar keine habe.
Nachdem ich aber bei drei Läden mit Weglaufen, die Tiger-Schuhe nicht unter 120 drücken konnte, gehe ich davon aus, das da irgendwo die Schmerzgrenze liegt. Beim dritten Versuch bin ich sogar zurückgekommen und habe sie mir einpacken lassen, wollte aber nur 110 zahlen. Das hat die Verkäuferin dann wirklich nicht gemacht, nicht Mal als ich gegangen bin. (Auf die 110 bin ich nur gekommen, weil nebenan Canado-Chinesen mit einem Slovaken einkaufen waren und der Canado-Chinese zu seinem Kumpel meinte, da geht auch jeden Fall noch was... obwohl der auch schon bei 120 war.) Am Ende hatte ich also keine Tiger, sondern habe mir woanders Chucks gekauft. Die Tiger-Fälschungen waren wirklich nicht so gut.
Die Chucks sind wieder Top-Fälschungen... ich verschreibe mich immer wieder. Die Chucks sind natürlich die Originale zu einem sehr fairen Preis. Für die habe ich 80 gezahlt, was wahrscheinlich wieder zu viel war, weil ich Depp bei 60 angefangen habe... sie wollte aber am Anfang nur 220 (Tigers haben bei 450 angefangen).
Um es zusammenzufassen: Das mit dem Handeln muss ich noch verfeinern. Die meisten Originale werden hier mit einer Original-Qualität angeboten (also wirklich nicht wie das Zeug, dass die Nordafrikaner in Frankreich oder die Händler in der Türkei anbieten) und die Auswahl ist riesig. Man darf nicht danach gehen, was einem die Sachen wert sind, sonst kann man auch gleich den ersten Preis annehmen. Und beim Verhandeln gilt: Run Forrest, run!
Am Ende steht man aber wohl immer wie der eine Däne in Mexiko da. Er war riesig Stolz in einer Verhandlungsschlacht den Preis um 50% gedrückt zu haben, um dann eine halbe Stunde später das gleiche für ein Viertel des Preises, den er gezahlt hatte, in einem Laden zu finden.
Eine weitere wichtige Erkenntnis des Tages: Die Zeit von el Capitano ist vorbei. Alle Deutschland-Trikots mit der Nummer 13 waren von Müller. Es tut mir Leid Michael!
Update: Habe gerade gelesen, dass Ballack sich wieder verletzt hat. Damit hat es sich für ihn ja wahrscheinlich wirklich erledigt. Da sieht man Mal, was die Chinesen für Fußballexperten sind!